Schulsport an der Schule für Kranke

Schulsport im Krankenhaus


Für Kinder und Jugendliche mit schweren Erkrankungen und Handicaps haben Bewegung, Spiel und Sport eine besondere Bedeutung. Im Schulsport unterstützen wir unsere Schülerinnen und Schüler dabei, ein gesundes und aktives Leben zu führen.


"Im Krankenhaus kann man doch keinen Sportunterricht machen?!"

Doch, das geht!


Seit 2018 hat der Schulsport seinen festen Platz an der Helen-Keller-Schule. Gemeinsam mit der Bezirksregierung, dem Universitätsklinikum und der Universität Münster entwickeln wir unsere Sportangebote stetig weiter und passen sie den besonderen Bedürfnissen unserer Schülerinnen und Schüler an. Unser Ziel ist ein Schulsportangebot, dass alle Kinder und Jugendlichen erreicht - unabhängig von der Art des Handicaps oder der Erkrankung. 


Der Sportunterricht findet dabei, je nach Situation, in der Turnhalle, dem Krankenzimmer oder auch in der Natur statt. Zum Beispiel im Rahmen unserer Outdoorsport-Projekte.


"Die Kinder können die schulischen Vorgaben im Sport aber doch gar nicht erfüllen."

Doch, auch das geht!


Die Rahmenvorgaben für den Schulsport in Nordrhein-Westfalen ermöglichen es jedem Kind, ungeachtet seiner körperlichen oder psychischen Erkrankung, aktiv am Schulsport teilzunehmen und, wie die anderen Kinder auch, beurteilt zu werden.


Wie wir die Anforderungen der Rahmenvorgaben und die besonderen Bedürfnisse unserer Schülerinnen und Schüler in Einklang bringen, können Sie in der folgenden Übersicht sehen. 

 


Schulsport an der Schule für Kranke - Umsetzung der Rahmenvorgaben

Der Doppelauftrag des SchulsportsNeuer Titel


1.

Entwicklungsförderung durch Bewegung, Spiel und Sport


Der schulische Bildungs- und Erziehungsauftrag hat das Ziel, die optimale Entfaltung der individuellen Möglichkeiten und Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler zu unterstützen und zu fördern. Der Schulsport erfüllt diesen Auftrag im Bereich von Bewegung, Spiel und Sport.

Besonderheiten an der Schule für Kranke


Schwere Erkrankungen stellen einen besonderen Einschnitt in der Entwicklungsbiographie von Kindern und Jugendlichen dar. Die individuellen Möglichkeiten und Fähigkeiten sind vielfach von einem Moment auf den anderen stark eingeschränkt.


Der Schulsport an der Schule für Kranke muss der veränderten gesundheitlichen Situation Rechnung tragen und die betroffenen Schülerinnen und Schüler dabei unterstützen, diese schwere Entwicklungsaufgabe auch im Bereich von Sport und Bewegung aktiv anzunehmen.


Entwicklungsförderung bedeutet hier, sowohl an unterbrochene Entwicklungsprozesse anzuknüpfen als auch neue Wege im Sport aufzuzeigen. 

2.

Erschließung der Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur


In modernen Gesellschaften sind Bewegung, Spiel und Sport fester Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens. Aufgabe des Schulsports ist es, die Teilhabe der Kinder und Jugendlichen an der Bewegungs-, Spiel- und Sportkultur zu sichern, Zugänge zum Sport zu eröffnen und aktive Partizipation zu fördern.

Besonderheiten an der Schule für Kranke


Kinder und Jugendliche, die eine schwere Krankheit durchgemacht haben oder auch langfristig an chronischen Erkrankungen leiden, haben es oft schwer, ihren Platz im Sport zu finden. 


An der Helen-Keller-Schule unterstützen wir unsere Schülerinnen und Schüler dabei, sich trotz gesundheitlicher Einschränkungen weiterhin als Sportlerin oder Sportler wahrzunehmen. 


In unseren schulischen Sportangeboten geht es dabei immer auch darum, langfristige Perspektiven im Sport zu eröffnen. Dazu gehört sowohl die spätere Rückkehr in den Schulsport der Heimatschule als auch die enge Zusammenarbeit mit den Vereinen vor Ort.  

Hier geht's zum Beratungsangebot

Die Pädagogischen Perspektiven im Schulsport


Den Sport von allen Seiten sehen

Was immer ich im Sport mache, die individuelle Intention entscheidet darüber, welche Bedeutung die sportliche Handlung für mich besitzt.


Wer regelmäßig im Park laufen geht, der möchte vermutlich etwas für seine Gesundheit tun. Vielleicht geht es ihm aber auch darum, seine Wettkampfzeiten zu verbessern, gemeinsam mit einer Freundin Sport zu treiben, sich mit dem Laufpartner zu messen oder auch einfach nur von anderen als sportlich aktiv wahrgenommen zu werden.


Die sechs Pädagogischen Perspektiven des Schulsports greifen die Vielfalt der unterschiedlichen Blickwinkel auf den Sport auf und machen sie zu einem Instrument der Unterrichtsgestaltung.

Wahrnehmungsfähigkeit verbessern, Bewegungserfahrungen erweitern (A)



Ausgangslage an der Schule für Kranke

Körperliche als auch psychische Erkrankungen können die Wahrnehmung des eigenen Körpers mitunter erheblich beeinflussen. Oftmals führt die veränderte Wahrnehmung des eigenen Körpers, zum Beispiel nach schweren Operationen oder im Zusammenhang mit Essstörungen, zu einem starken Leidensdruck. Auch können sich daraus besondere Risiken im Sport ergeben, wenn die Signale des Körpers nicht richtig gedeutet werden.


Darüber hinaus bewegen sich die Schülerinnen und Schüler häufig krankheitsbedingt deutlich weniger und nehmen seltener an Angeboten der Sportvereine teil. Ihr Repertoire an Bewegungserfahrungen ist dadurch im Vergleich zu den gesunden Mitschülern in der Regel deutlich kleiner.

Zentrale Entscheidungen zum Unterricht


Der Schulsport an der Schule für Kranke zielt darauf, den Schülerinnen und Schülern ein besonders breites Bewegungsangebot zu machen, um individuelle Ressourcen und Interessen im Bereich von Bewegung, Spiel und Sport erkennen und nutzen zu können.


Durch eine konsequent stärkenorientierte Herangehensweise sollen Selbstwirksamkeitserlebnisse im Sport geschaffen werden, die die Freude am Sport wecken oder erhalten und das Selbstvertrauen stärken.


Um wahrnehmungsbezogene Risiken zu minimieren und Fehl- oder Überbelastungen zu vermeiden, legen wir besonderen Wert auf kooperative und autonomiefördernde Lernformen.


Dem krankheitsbedingten Bewegungsmangel versuchen wir, zusätzlich zu den Sportunterrichtsangeboten, durch wiederkehrende, kurze Bewegungsphasen im schulischen Alltag zu begegnen.


Sich körperlich ausdrücken, Bewegung gestalten (B)


Ausgangslage an der Schule für Kranke

Der menschliche Körper ist ein Kommunikationsinstrument. Wir drücken damit unsere Gefühle und unsere Persönlichkeit aus. Wer offen und selbstsicher auf die Welt schaut, bewegt sich anders als jemand der eher ängstlich und zurückhaltend ist. In keinem anderen Unterrichtsfach ist der Körper als Sender von Botschaften so gefordert wie im Sport.


Menschen, die an einer schweren Erkrankung leiden, erleben häufig ganz grundlegende Veränderungen in ihrer Körperlichkeit - sei es durch Operationen oder durch andere Folgen ihrer somatischen oder psychischen Erkrankung.


Diese krankheitsbedingten Veränderungen erschüttern zwangsläufig das Körperkonzept und, damit verbunden, auch das meist noch fragile Selbstkonzept der Kinder und Jugendlichen.


Unter diesen Bedingungen den eigenen Körper als Medium sportlich-künstlerischen Ausdrucks einzusetzen, stellt eine enorme Herausforderung für unsere Schülerinnen und Schüler dar.

Zentrale Entscheidungen zum Unterricht


Den eigenen Körper in dieser Situation als Mittel zur Gestaltung von Bewegung einzusetzen ist eine große Herausforderung.


Wir bemühen uns, ein unterrichtliches Klima zu schaffen, das es jeder Schülerin und jedem Schüler ermöglicht, auch diese Herausforderung anzunehmen.


In unseren kleinen Lerngruppen legen wir viel Wert auf ein konsequent wertschätzendes Verhalten unter den Schüler*innen aber auch in der Kommunikation zwischen Lehrkräften und Schüler*innen. Auf diese Weise versuchen wir, Bloßstellungserfahrungen zu vermeiden.


Bewegung zu gestalten und sich körperlich auszudrücken bedeutet auch nicht allein Ballett und Hip Hop. Gerade bei Unsicherheiten im eigenen Körper- und Selbstkonzept können Gestaltungsaufgaben aus dem Ball- oder Kampfsportbereich sowie dem Turnen und der Akrobatik den Einstieg in diesen Bewegungsbereich erleichtern.


Etwas wagen und verantworten (C)


Ausgangslage an der Schule für Kranke

Für viele unserer Schülerinnen und Schüler ist der Schulsport mit Negativerfahrungen verknüpft: Von Ausgrenzung über Erfahrungen des Versagens bis hin zu Mobbing.


Das jeweilige Selbstbild im Sport nimmt dadurch Schaden und das Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten geht verloren. Vor diesem Hintergrund ist es für einige Kinder und Jugendliche bereits ein Wagnis, überhaupt wieder an sportlichen Aktivitäten teilzunehmen und sich vor anderen zu exponieren.


Hinzu kommen körperliche Einschränkungen, die besondere Risiken im Sport bergen. Dies können Operationsfolgen sein, aber auch Nebenwirkungen von Medikamenten oder Veränderungen in der Wahrnehmungsfähigkeit.


Die Sorge vor einer Sportverletzung oder einer Infektion, die erneute Krankenhausaufenthalte erforderlich machen könnte, schwingt bei vielen Schüler*innen und auch ihren Eltern mit.

Zentrale Entscheidungen zum Unterricht


Selbstsicherheit und Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten sind wichtige Ziele des Sportunterrichts an der Helen-Keller-Schule.


Hierzu gestalten wir unterrichtliche Situationen im Sport so, dass die Kinder und Jugendlichen schnell erste Erfolgserlebnisse feiern können und sich als selbstwirksam erleben.


In der konkreten Wagnissituation (z.B.: "Soll ich den Abhang hinunterfahren oder nicht?") versuchen wir, mit den Kindern in einen Prozess des Abwägens von Chancen und Gefahren einzutreten. Was hätte ich davon, dort jetzt runterzufahren? Wie würde es sich anfühlen, wenn ich mich das traue? Wie groß ist die Gefahr zu fallen? Würde mein künstliches Knie einen Sturz aushalten?


Unser Ziel ist es, am Beispiel der konkreten Wagnissituation, die Schüler*innen in die Lage zu versetzen, auf der Basis reflektierter Abwägungsprozesse, informierte Risikoentscheidungen zu treffen: "Ich fahre da jetzt runter, trotz der Amputation" oder "Heute traue ich mich nur, die kleine Abfahrt zu nehmen".


Das Leisten erfahren, verstehen und einschätzen (D)


Ausgangslage an der Schule für Kranke

Die körperliche Leistungsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler an einer Schule für Kranke ist in der Regel eingeschränkt. Dies kann mit direkten Folgen der Erkrankung zusammenhängen (z.B. Unterfunktion von Organen) oder mit Neben- und Folgewirkungen medikamentöser Therapien (z.B. Antriebslosigkeit und Fatigue).


Oftmals, insbesondere auch bei psychischen Erkrankungen, treiben die betroffenen Kinder und Jugendlichen privat weniger Sport als ihre gesunden Mitschüler. Sie verfügen somit über weniger Bewegungsfahrung, erbringen im Schulsport schlechtere Leistungen und halten sich daher häufig für grundsätzlich unsportlich.

Zentrale Entscheidungen zum Unterricht


Wichtiges Ziel des Sportunterrichtes ist es, eine positive Grundhaltung gegenüber Leistung und Training im Sport zu stärken oder neu zu entwickeln.


Durch ein hohes Maß an Lernerautonomie und eine möglichst gute Passung von Anforderung und tagesaktueller Leistungsfähigkeit versuchen wir, unseren Schüler*innen positive Leistungserfahrungen zu ermöglichen.


Besonders wichtig ist es uns, entitäre Fähigkeitsüberzeugungen (z.B.: "Das kann ich doch sowieso nicht") in inkrementelle Fähigkeitskonzepte zu überführen (z.B.: "Ich kann das heute noch nicht, wenn ich aber hartnäckig übe, klappt's bestimmt morgen").


Im Bereich der Beurteilung von sportlichen Leistungen ist es uns ein besonderes Anliegen, den sozialen Vereinbarungscharakter sportlicher Leistungen hervorzuheben. Wieso gewinnt immer der Schnellste den 1000m-Lauf? Es ist doch mindestens genauso schwer, sich eine bestimmte Zeit vorzunehmen und diese ohne Uhr exakt zu laufen.


Kooperieren, wettkämpfen und sich verständigen (E)


Ausgangslage an der Schule für Kranke

Chronische Krankheit oder Handicaps erschweren den gleichberechtigten Zugang zur sozialen Peergroup. Nicht selten machen unsere Schüler*innen Ausgrenzungserfahren und erleben, wie sich mitunter selbst Freunde von Ihnen abwenden.


Die Ursachen hierfür sind vielschichtig. In Bezug auf die soziale Teilhabe im Bereich von Bewegung, Spiel und Sport sind es aber häufig rein praktische Hindernisse, die dem gemeinsamen Sporttreiben im Weg stehen. Wir würden ja gerne mit dir zusammen ins Schwimmbad fahren, aber das geht ja nicht. Wenn du in unser Team kommst, brauchen wir aber auch noch jemanden, der normal sehen kann.


Für Kinder und Jugendliche mit gesundheitlichen Einschränkungen sind solche Erfahrungen vor allem deshalb schwierig, weil für sie kaum zu unterscheiden ist, ob die Ablehnung, die ihnen immer wieder begegnet, nur mit ihrem Handicap zusammenhängt oder ob es hier auch um sie selbst als Person geht.


Eine offene und unvoreingenommene Verständigung über Fragen von Kooperation, Wettkampf und sozialem Miteinander zu fördern, ist wichtige Aufgabe des Schulsports an den Regelschulen, wie auch an der Schule für Kranke.

Zentrale Entscheidungen zum Unterricht


Unser Ziel ist es, die Kinder und Jugendlichen dabei zu unterstützen, sich aktiv und konstruktiv in sportliche Gruppenprozesse einzubringen.


Hierzu erarbeiten wir gemeinsam Strategien zum Umgang mit den individuellen gesundheitlichen Einschränkungen in den verschiedenen Sportbereichen.


An konkreten Beispielen versuchen wir, mit den Schüler*innen kreative Lösungen zu erarbeiten, die es ihnen ermöglichen, gleichberechtigt mit ihren gesunden Mitschülern im Sport zu kooperieren und sich zu messen.


Das Handicap, wie es im Golfsport verstanden wird, ist dabei das leitende Prinzip. Wie kann es gelingen, trotz aller Unterschiede, mit Spaß und auf Augenhöhe miteinander Sport zu treiben? An welchen Stellrädern des Regelwerkes muss ich drehen, damit gesundheitliche Einschränkungen ausgeglichen werden, der Spaß für alle aber erhalten bleibt?


Gesundheit fördern, Gesundheitsbewusstsein entwickeln (F)


Ausgangslage an der Schule für Kranke

Für Schülerinnen und Schüler an einer Schule für Kranke spielt das Thema Gesundheit naheliegenderweise eine besondere Rolle.


Das Thema Gesundheit ist daher auch im Sportunterricht für die Kinder und Jugendlichen immer mehr oder weniger präsent.


Aufgabe von Schule insgesamt ist es, die Entwicklung eines gesunden Lebensstils zu fördern. Für Kinder und Jugendliche mit schweren Erkrankungen ist dies besonders wichtig, um langfristigen Folgeerkrankungen vorzubeugen.


Bewegung, Spiel und Sport sind daher sowohl Risikofaktor als auch Schutzfaktor für die eigene Gesundheit. Dies gilt für gesunde Kinder und Jugendliche, in besonderem Maße aber auch für unsere erkrankten Schüler*innen: Beispielsweise ist Sport bei starkem Übergewicht ein wichtiges Mittel zur Gewichtsreduktion, birgt aber auch Gefahren, zum Beispiel durch eine Überlastung des Knochen- und Gelenkapparates.

Zentrale Entscheidungen zum Unterricht


Der Schulsport ist keine Therapie. Sein Ziel ist nicht die Heilung. Der Auftrag zur Gesundheitserziehung ist allgemeiner, im Sinne der Entwicklungsförderung zu verstehen.


Der Schulsport darf daher nicht auf seine gesundheitlichen Effekte reduziert oder als Ersatz für Physio- und Sporttherapie verstanden werden.


Vielmehr geht es im Schulsport darum, den oben beschriebenen Doppelauftrag trotz (und nicht wegen) bestehender Erkrankung umzusetzen.


Um gesundheitliche Schäden durch den Sport zu vermeiden, müssen die Risiken, zumindest von den Lehrkräften, grundsätzlich immer mitgedacht werden.


Im Schulsport an der Helen-Keller-Schule versuchen wir, an konkreten Beispielen die gesundheitliche Schutzfunktion des Sports sichtbar und erlebbar zu machen

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